Binomialverteilung: Unterschied zwischen den Versionen
Die Seite wurde neu angelegt: „ ===Binomialverteilung=== Wir betrachten im Folgenden Definitionen zur Binomialverteilung. ====Bernoulli-Experiment und Bernoulli-Experiment==== Ein Zufallsexperiment mit nur zwei Ergebnissen, Erfolg und Misserfolg, heißt '''Bernoulli-Experiment'''. Die Wahrscheinlichkeit für Erfolg wird mit p und die Wahrscheinlichkeit für Misserfolg mit <math>q=1-p</math> bezeichnet. Ein Zufallsexperiment, das aus <math>n\in\mathbb{N}</math> unabhängigen Durchf…“ |
|||
(4 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
Die Binomialverteilung ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung für eine Bernoulli-Kette. | |||
==Bernoulli-Experiment== | |||
Ein Zufallsexperiment mit nur zwei Ergebnissen, Erfolg und Misserfolg, heißt '''Bernoulli-Experiment'''. Die Wahrscheinlichkeit für Erfolg wird mit <math>p</math> und die Wahrscheinlichkeit für Misserfolg mit <math>q=1-p</math> bezeichnet. Dabei gilt <math>p \in \mathbb{R}</math> und <math>0 \leq p \leq 1 </math>. | |||
== | ==Bernoulli-Kette== | ||
Ein Zufallsexperiment, das aus <math>n\in\mathbb{N}</math> unabhängigen Durchführungen desselben Bernoulli-Experiments besteht, heißt '''Bernoulli-Kette''' der Länge <math>n</math>. | |||
<html><iframe width="280" height="157.5" src="https://www.youtube.com/embed/8B3qmuQk2xs?si=fK9vNYCvhEIa1tpH" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen></iframe></html> | |||
==Definition== | |||
Gegeben ist eine Bernoulli-Kette der Länge <math>n \in \mathbb{N}</math>. Für jedes Bernoulli-Experiment ist die Erfolgswahrscheinlichkeit <math>p</math> mit <math>p \in \mathbb{R}</math> und <math>0 \leq p \leq 1 </math>. Die [[Zufallsvariable]] <math>X</math> gibt die Anzahl der Erfolge an. Dann beträgt die [[Wahrscheinlichkeit]] für genau <math>k</math> Erfolge <math>P(X=k)=\binom{n}{k}\cdot p^k\cdot(1-p)^{(n-k)}</math> mit <math>0 \leq k \leq n</math> und <math>n\in\mathbb{N}</math>. <math>P:\mathbb{N}_0^{\leq n} \rightarrow \mathbb{R}</math> heißt dann '''Binomialverteilung''' mit den Parametern <math>n</math> und <math>p</math>. Für <math>P(X=k)</math> schreibt man auch <math>B_{n;p}(k)</math> und nennt <math>X</math> eine '''<math>B_{n;p}</math>-verteilte Zufallsvariable'''. <math>\binom{n}{k}</math> ist der [[Kombinatorik#Binomialkoeffizient|Binomialkoeffizient]]. | |||
==== | <html><iframe width="280" height="157.5" src="https://www.youtube.com/embed/2IBw_ynpGSE?si=nFU0jEdSyV6YOcHC" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen></iframe></html> | ||
==== | ==Eigenschaften== | ||
===Erwartungswert=== | |||
Es sei <math>X</math> eine <math>B_{n;p}</math>-verteilte [[Zufallsvariable]] mit <math>n \in \mathbb{N}</math>, <math>p</math> mit <math>p \in \mathbb{R}</math> und <math>0 \leq p \leq 1 </math>, dann ist <math>\mu=E(X)=n\cdot p</math> der [[Erwartungswert]] <math>X</math>. | |||
<math> | |||
===Varianz=== | |||
Es sei <math>X</math> eine <math>B_{n;p}</math>-verteilte [[Zufallsvariable]] mit <math>n \in \mathbb{N}</math>, <math>p</math> mit <math>p \in \mathbb{R}</math> und <math>0 \leq p \leq 1 </math>, dann ist <math>\sigma^2=V(X)=n\cdot p\cdot(1-p)</math> die [[Varianz_(Wahrscheinlichkeitsrechnung)|Varianz]] von <math>X</math>. | |||
=== | ===Standardabweichung=== | ||
Es sei <math>X</math> eine <math>B_{n;p}</math>-verteilte [[Zufallsvariable]] mit <math>n \in \mathbb{N}</math>, <math>p</math> mit <math>p \in \mathbb{R}</math> und <math>0 \leq p \leq 1 </math>, dann ist <math>\sigma=\sqrt{V\left(X\right)}=\sqrt{n\cdot p\cdot\left(1-p\right)}</math> die [[Standardabweichung_(Wahrscheinlichkeitsrechnung)|Standardabweichung]] von <math>X</math>. | |||
<math> | |||
<math>\ | |||
<math>\sigma=\sqrt{V\left(X\right)}=\sqrt{n\cdot p\cdot\left(1-p\right)}</math>. | |||
===Histogramm=== | |||
Im folgenden Video wird das [[Histogramm]] der Binomialverteilung erläutert. | |||
==== | <html><iframe width="280" height="157.5" src="https://www.youtube.com/embed/Lc_R0vBSKHw?si=V72WfOUjhQRQlrN9" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen></iframe></html> | ||
<math>P\left(\mu-2\sigma\leq X\leq \mu+2\sigma\right)\approx0,955</math> <math>2\sigma</math>-Regel | ==Sigmaregeln== | ||
Es sei <math>X</math> eine <math>B_{n;p}</math>-verteilte Zufallsvariable mit <math>n \in \mathbb{N}</math>, <math>p</math> mit <math>p \in \mathbb{R}</math> und <math>0 \leq p \leq 1 </math>, dann gilt | |||
*<math>P\left(\mu-\sigma\leq X\leq \mu+\sigma\right)\approx0,680</math> <math>1\sigma</math>-Regel | |||
*<math>P\left(\mu-2\sigma\leq X\leq \mu+2\sigma\right)\approx0,955</math> <math>2\sigma</math>-Regel | |||
*<math>P\left(\mu-3\sigma\leq X\leq\mu+3\sigma\right)\approx0,997</math> <math>3\sigma</math>-Regel mit <math>\sigma \geq 3</math> | |||
*<math>P\left(\mu-1,64\sigma\leq X\leq\mu+1,64\sigma\right)\approx0,9</math> 90%-Regel | |||
*<math>P\left(\mu-1,96\sigma\leq X\leq\mu+1,96\sigma\right)\approx0,95</math> 95%-Regel | |||
*<math>P\left(\mu-2,58\sigma\leq X\leq\mu+2,58\sigma\right)\approx0,99</math> 99%-Regel | |||
<math> | ==Regeln zum Umformen von Wahrscheinlichkeiten== | ||
Um Wahrscheinlichkeiten für eine <math>B_{n;p}</math>-verteilte [[Zufallsvariable]] <math>X</math> mit dem [[Taschenrechner_verwenden#Wahrscheinlichkeitsrechnung|Taschenrechner]] zu berechnen, müssen die Wahrscheinlichkeiten gemäß den folgenden Regeln umgeformt werden. Dabei gilt <math>k_1,~k_2 \in \mathbb{N}</math>. (Siehe auch [[Wahrscheinlichkeitsverteilung#Schreibweisen_f%C3%BCr_Wahrscheinlichkeiten|Größer-Kleiner-Zeichen]]): | |||
*<math>P(X= k_1)</math> kann mit dem [[Taschenrechner_verwenden#Wahrscheinlichkeitsrechnung|Taschenrechner]] direkt berechnet werden | |||
*<math>P(X\leq k_1)</math> kann mit dem [[Taschenrechner_verwenden#Wahrscheinlichkeitsrechnung|Taschenrechner]] direkt berechnet werden | |||
*<math>P(X< k_1)=P(X\leq (k_1-1))</math> | |||
*<math>P(X> k_1)=1-P(X\leq k_1)</math> | |||
*<math>P(X\geq k_1)=1-P(X< k_1)=1-P(X\leq (k_1-1))</math> | |||
*<math>P(k_1 \leq X \leq k_2)=P(X\leq k_2)-P(X\leq (k_1-1))</math> | |||
*<math>P(k_1 < X < k_2)=P((k_1+1) \leq X \leq (k_2-1))=P(X\leq (k_2-1))-P(X\leq k_1)</math> | |||
< | <html><iframe width="280" height="157.5" src="https://www.youtube.com/embed/voPP8Z7jGsA?si=jSxTL6FH6qnIPSq7" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen></iframe><iframe width="280" height="157.5" src="https://www.youtube.com/embed/EPzXRrErLaM?si=L8btUsbwukYRyZJA" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen></iframe></html> | ||
< | |||
< | |||
== | ==Auslastungmodell== | ||
Mittels der Formel <math>P(X=k) = {n \choose k}\cdot\left(\frac{m}{60}\right)^k\cdot\left(1-\frac{m}{60}\right)^{n-k}</math> lässt sich die Wahrscheinlichkeit dafür errechnen, dass <math>k \in \mathbb{N}</math> von <math>n\in \mathbb{N}</math> Personen eine Tätigkeit, die durchschnittlich <math>m \in \mathbb{R}^{\geq 0}</math> Minuten pro Stunde dauert, gleichzeitig ausführen. | |||
<html><iframe width="280" height="157.5" src="https://www.youtube.com/embed/dkrErCbQ6Bw?si=euhahtXHnZI9Rf3O" title="YouTube video player" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" allowfullscreen></iframe></html> | |||
=== | ==Beispiele== | ||
===Bernoulli-Experiment einfacher Münzwurf=== | |||
Das [[Zufallsexperiment]] des einfachen Münzwurfes mit Zahl (Erfolg) oder Kopf (Misserfolg) als Ergebnis ist ein Bernoulli-Experiment. Für die Erfolgswahrscheinlichkeit gilt <math>p=\frac{1}{2}</math> (Zahl) und für die Misserfolgswahrscheinlichkeit gilt <math>q=1-\frac{1}{2}=\frac{1}{2}</math> (Kopf). | |||
===Bernoulli-Kette zweifacher Münzwurf=== | |||
Der zweifache Münzwurf ist ein Beispiel für eine Bernoulli-Kette, da die Durchführungen unabhängig voneinander sind. D. h. bei jedem Münzwurf bleibt die Wahrscheinlichkeit für Zahl <math>p=\frac{1}{2}</math> und für Kopf <math>q=\frac{1}{2}</math>. | |||
Die Wahrscheinlichkeit, beim 20-maligen Werfen eines Würfels genau 3-mal die 6 zu würfeln, beträgt | ===Binomialverteilung beim 20-maligen Werfen eines Würfels=== | ||
Wir betrachten die Bernoulli-Kette 20-maliges werfen eines Würfels. Eine 6 zu würfeln bedeutet Erfolg und jede andere Zahl bedeutet Misserfolg. Das einmalige Werfen des Würfels ist ein Bernoulli-Experiment mit der Erfolgswahrscheinlichkeit <math>p=\frac{1}{6}</math> und der Misserfolgswahrscheinlichkeit <math>q=\frac{5}{6}</math>. Damit ist <math>X</math>, Häufigkeit der Augenzahl 6, eine <math>B_{20;\frac{1}{6}}</math>-verteilte Zufallsvariable. Die Wahrscheinlichkeit, beim 20-maligen Werfen eines Würfels genau 3-mal die 6 zu würfeln, beträgt <math>P(X=3)=\binom{20}{3}\cdot{\frac{1}{6}}^3\cdot(1-\frac{1}{6})^{(20-3)}=\binom{20}{3}\cdot{\frac{1}{6}}^3\cdot{\frac{5}{6}}^{17}\approx0,238</math>. | |||
<math> | ===Binomialverteilung beim dreifachen Münzwurf=== | ||
[[Datei:WahrscheinlichkeitsrechnungDreiMünzWahr.png|mini|Baumdiagramm zum Zufallsexperiment des dreifachen Münzwurfs mit Wahrscheinlichkeiten]] | |||
Eine Münze wird dreimal geworfen und man beobachtet, in welcher Reihenfolge Zahl (Z) und Kopf (K) oben liegen. Die [[Zufallsexperiment#Definition|Ergebnismenge]] ist <math>S = \{ZZZ; ZZK; ZKZ; ZKK; KZZ; KZK; KKZ; KKK\}</math>. Da ein [[Laplace-Experiment]] vorliegt, beträgt die [[Wahrscheinlichkeit]] genau zweimal Kopf zu werfen <math>P(E)=\frac{3}{8}=0,375</math> mit <math>E=\{KKZ;KZK;ZKK\}</math>. Wir wenden die Binomialverteilung wie folgt an: | |||
Wir betrachten die <math>B_{3;\frac{1}{2}}</math>-verteilte [[Zufallsvariable]] <math>X</math>, die die Häufigkeit von Kopf angibt, und wollen <math>P(X=2)</math> bestimmen. Jeder [[Baumdiagramm#Definition|Pfad]] der Bernoulli-Kette besteht aus insgesamt 3 [[Baumdiagramm#Definition|Teilpfade]], wovon genau 2 Teilpfade zu Kopf führen müssen. Da die Reihenfolge der Teilpfade keine Rolle spielen und ein Teilpfad nicht doppelt vorkommen darf, gibt es insgesamt <math>\binom{3}{2}=3</math> mögliche Pfade (Siehe: [[Kombinatorik#Anzahl_m%C3%B6glicher_Ergebnisse_bei_einem_Zufallsexperiment_ermitteln|Ohne Beachtung der Reihenfolge, Ohne Zurücklegen]]). Für jeden Pfad gilt: Zwei Teilpfade besitzen jeweils die Wahrscheinlichkeit <math>\frac{1}{2}</math> für Kopf und ein Teilpfad besitzt die Wahrscheinlichkeit <math>\frac{1}{2}</math> für Zahl. Es gilt also: | |||
<math>P(X=2)=\binom{3}{2}\cdot{\frac{1}{2}}^2\cdot(1-\frac{1}{2})^{(3-2)}=3\cdot{\frac{1}{2}}^2\cdot{\frac{1}{2}}^1=3\cdot0,125=0,375</math> | |||
<math>\binom{3}{2}</math> ist gleichbedeutend mit „wir erhalten genau zwei Erfolge (Kopf) aus insgesamt 3 Würfen“. <math>(\frac{1}{2})^2</math> ist die Wahrscheinlichkeit für zweimal Erfolg (Kopf) und <math>(\frac{1}{2})^1</math> ist die Wahrscheinlichkeit für einmal Misserfolg (Zahl). | |||
===Erwartungswert, Varianz, Standardabweichung und 95% Regeln anwenden=== | |||
Im Alter zwischen 15 und 20 Jahren rauchen 25,5% der deutschen Bevölkerung. In einer Schule mit 640 Schülerinnen und Schülern in diesem Alter rauchen 118 Schülerinnen und Schüler. | |||
Betrachten wir die Zufallsvariable <math>X</math>, Anzahl rauchende 15-20-Jährige in der Schule, dann liegt eine Bernoulli-Kette mit <math>n=640</math> und <math>p=0,255</math> vor. Der Erwartungswert beträgt <math>\mu=E(X)=640 \cdot 0,255=163,2</math> und die Varianz ist <math>\sigma^2=V(X)=640\cdot0,255\cdot0,745=121,584</math>. Die Standardabweichung ist also <math>\sigma\approx\ 11</math>. Die Anzahl der rauchenden Schülerinnen und Schülern der Schule liegt mit 118 unter der erwarteten Anzahl von ungefähr <math>\mu=163</math> und sogar unter <math>163-11=152</math>, wenn die erwartete Abweichung von <math>\sigma \approx 11</math> berücksichtigt wird. | |||
Wir setzen diese Werte in die Gleichung für die 95%-Regel ein und erhalten | |||
<math>P\left(163,2-1,96\cdot11,03\leq X\le163+1,96\cdot11,03\right)\approx0,95</math> | <math>P\left(163,2-1,96\cdot11,03\leq X\le163+1,96\cdot11,03\right)\approx0,95</math> | ||
Zeile 69: | Zeile 88: | ||
Legen wir zugrunde, dass ein Schüler oder eine Schülerin mit einer Wahrscheinlichkeit von 25,5% Raucher oder Raucherin ist, dann sind mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% zwischen 142 und 184 Raucherinnen und Raucher an der Schule. | Legen wir zugrunde, dass ein Schüler oder eine Schülerin mit einer Wahrscheinlichkeit von 25,5% Raucher oder Raucherin ist, dann sind mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% zwischen 142 und 184 Raucherinnen und Raucher an der Schule. | ||
[[Kategorie:Wahrscheinlichkeitsrechnung]] | [[Kategorie:Wahrscheinlichkeitsrechnung]] | ||
[[Kategorie: | [[Kategorie:FHR_WuV_Mathe]] |
Aktuelle Version vom 17. März 2025, 12:05 Uhr
Die Binomialverteilung ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung für eine Bernoulli-Kette.
Bernoulli-Experiment
Ein Zufallsexperiment mit nur zwei Ergebnissen, Erfolg und Misserfolg, heißt Bernoulli-Experiment. Die Wahrscheinlichkeit für Erfolg wird mit [math]\displaystyle{ p }[/math] und die Wahrscheinlichkeit für Misserfolg mit [math]\displaystyle{ q=1-p }[/math] bezeichnet. Dabei gilt [math]\displaystyle{ p \in \mathbb{R} }[/math] und [math]\displaystyle{ 0 \leq p \leq 1 }[/math].
Bernoulli-Kette
Ein Zufallsexperiment, das aus [math]\displaystyle{ n\in\mathbb{N} }[/math] unabhängigen Durchführungen desselben Bernoulli-Experiments besteht, heißt Bernoulli-Kette der Länge [math]\displaystyle{ n }[/math].
Definition
Gegeben ist eine Bernoulli-Kette der Länge [math]\displaystyle{ n \in \mathbb{N} }[/math]. Für jedes Bernoulli-Experiment ist die Erfolgswahrscheinlichkeit [math]\displaystyle{ p }[/math] mit [math]\displaystyle{ p \in \mathbb{R} }[/math] und [math]\displaystyle{ 0 \leq p \leq 1 }[/math]. Die Zufallsvariable [math]\displaystyle{ X }[/math] gibt die Anzahl der Erfolge an. Dann beträgt die Wahrscheinlichkeit für genau [math]\displaystyle{ k }[/math] Erfolge [math]\displaystyle{ P(X=k)=\binom{n}{k}\cdot p^k\cdot(1-p)^{(n-k)} }[/math] mit [math]\displaystyle{ 0 \leq k \leq n }[/math] und [math]\displaystyle{ n\in\mathbb{N} }[/math]. [math]\displaystyle{ P:\mathbb{N}_0^{\leq n} \rightarrow \mathbb{R} }[/math] heißt dann Binomialverteilung mit den Parametern [math]\displaystyle{ n }[/math] und [math]\displaystyle{ p }[/math]. Für [math]\displaystyle{ P(X=k) }[/math] schreibt man auch [math]\displaystyle{ B_{n;p}(k) }[/math] und nennt [math]\displaystyle{ X }[/math] eine [math]\displaystyle{ B_{n;p} }[/math]-verteilte Zufallsvariable. [math]\displaystyle{ \binom{n}{k} }[/math] ist der Binomialkoeffizient.
Eigenschaften
Erwartungswert
Es sei [math]\displaystyle{ X }[/math] eine [math]\displaystyle{ B_{n;p} }[/math]-verteilte Zufallsvariable mit [math]\displaystyle{ n \in \mathbb{N} }[/math], [math]\displaystyle{ p }[/math] mit [math]\displaystyle{ p \in \mathbb{R} }[/math] und [math]\displaystyle{ 0 \leq p \leq 1 }[/math], dann ist [math]\displaystyle{ \mu=E(X)=n\cdot p }[/math] der Erwartungswert [math]\displaystyle{ X }[/math].
Varianz
Es sei [math]\displaystyle{ X }[/math] eine [math]\displaystyle{ B_{n;p} }[/math]-verteilte Zufallsvariable mit [math]\displaystyle{ n \in \mathbb{N} }[/math], [math]\displaystyle{ p }[/math] mit [math]\displaystyle{ p \in \mathbb{R} }[/math] und [math]\displaystyle{ 0 \leq p \leq 1 }[/math], dann ist [math]\displaystyle{ \sigma^2=V(X)=n\cdot p\cdot(1-p) }[/math] die Varianz von [math]\displaystyle{ X }[/math].
Standardabweichung
Es sei [math]\displaystyle{ X }[/math] eine [math]\displaystyle{ B_{n;p} }[/math]-verteilte Zufallsvariable mit [math]\displaystyle{ n \in \mathbb{N} }[/math], [math]\displaystyle{ p }[/math] mit [math]\displaystyle{ p \in \mathbb{R} }[/math] und [math]\displaystyle{ 0 \leq p \leq 1 }[/math], dann ist [math]\displaystyle{ \sigma=\sqrt{V\left(X\right)}=\sqrt{n\cdot p\cdot\left(1-p\right)} }[/math] die Standardabweichung von [math]\displaystyle{ X }[/math].
Histogramm
Im folgenden Video wird das Histogramm der Binomialverteilung erläutert.
Sigmaregeln
Es sei [math]\displaystyle{ X }[/math] eine [math]\displaystyle{ B_{n;p} }[/math]-verteilte Zufallsvariable mit [math]\displaystyle{ n \in \mathbb{N} }[/math], [math]\displaystyle{ p }[/math] mit [math]\displaystyle{ p \in \mathbb{R} }[/math] und [math]\displaystyle{ 0 \leq p \leq 1 }[/math], dann gilt
- [math]\displaystyle{ P\left(\mu-\sigma\leq X\leq \mu+\sigma\right)\approx0,680 }[/math] [math]\displaystyle{ 1\sigma }[/math]-Regel
- [math]\displaystyle{ P\left(\mu-2\sigma\leq X\leq \mu+2\sigma\right)\approx0,955 }[/math] [math]\displaystyle{ 2\sigma }[/math]-Regel
- [math]\displaystyle{ P\left(\mu-3\sigma\leq X\leq\mu+3\sigma\right)\approx0,997 }[/math] [math]\displaystyle{ 3\sigma }[/math]-Regel mit [math]\displaystyle{ \sigma \geq 3 }[/math]
- [math]\displaystyle{ P\left(\mu-1,64\sigma\leq X\leq\mu+1,64\sigma\right)\approx0,9 }[/math] 90%-Regel
- [math]\displaystyle{ P\left(\mu-1,96\sigma\leq X\leq\mu+1,96\sigma\right)\approx0,95 }[/math] 95%-Regel
- [math]\displaystyle{ P\left(\mu-2,58\sigma\leq X\leq\mu+2,58\sigma\right)\approx0,99 }[/math] 99%-Regel
Regeln zum Umformen von Wahrscheinlichkeiten
Um Wahrscheinlichkeiten für eine [math]\displaystyle{ B_{n;p} }[/math]-verteilte Zufallsvariable [math]\displaystyle{ X }[/math] mit dem Taschenrechner zu berechnen, müssen die Wahrscheinlichkeiten gemäß den folgenden Regeln umgeformt werden. Dabei gilt [math]\displaystyle{ k_1,~k_2 \in \mathbb{N} }[/math]. (Siehe auch Größer-Kleiner-Zeichen):
- [math]\displaystyle{ P(X= k_1) }[/math] kann mit dem Taschenrechner direkt berechnet werden
- [math]\displaystyle{ P(X\leq k_1) }[/math] kann mit dem Taschenrechner direkt berechnet werden
- [math]\displaystyle{ P(X\lt k_1)=P(X\leq (k_1-1)) }[/math]
- [math]\displaystyle{ P(X\gt k_1)=1-P(X\leq k_1) }[/math]
- [math]\displaystyle{ P(X\geq k_1)=1-P(X\lt k_1)=1-P(X\leq (k_1-1)) }[/math]
- [math]\displaystyle{ P(k_1 \leq X \leq k_2)=P(X\leq k_2)-P(X\leq (k_1-1)) }[/math]
- [math]\displaystyle{ P(k_1 \lt X \lt k_2)=P((k_1+1) \leq X \leq (k_2-1))=P(X\leq (k_2-1))-P(X\leq k_1) }[/math]
Auslastungmodell
Mittels der Formel [math]\displaystyle{ P(X=k) = {n \choose k}\cdot\left(\frac{m}{60}\right)^k\cdot\left(1-\frac{m}{60}\right)^{n-k} }[/math] lässt sich die Wahrscheinlichkeit dafür errechnen, dass [math]\displaystyle{ k \in \mathbb{N} }[/math] von [math]\displaystyle{ n\in \mathbb{N} }[/math] Personen eine Tätigkeit, die durchschnittlich [math]\displaystyle{ m \in \mathbb{R}^{\geq 0} }[/math] Minuten pro Stunde dauert, gleichzeitig ausführen.
Beispiele
Bernoulli-Experiment einfacher Münzwurf
Das Zufallsexperiment des einfachen Münzwurfes mit Zahl (Erfolg) oder Kopf (Misserfolg) als Ergebnis ist ein Bernoulli-Experiment. Für die Erfolgswahrscheinlichkeit gilt [math]\displaystyle{ p=\frac{1}{2} }[/math] (Zahl) und für die Misserfolgswahrscheinlichkeit gilt [math]\displaystyle{ q=1-\frac{1}{2}=\frac{1}{2} }[/math] (Kopf).
Bernoulli-Kette zweifacher Münzwurf
Der zweifache Münzwurf ist ein Beispiel für eine Bernoulli-Kette, da die Durchführungen unabhängig voneinander sind. D. h. bei jedem Münzwurf bleibt die Wahrscheinlichkeit für Zahl [math]\displaystyle{ p=\frac{1}{2} }[/math] und für Kopf [math]\displaystyle{ q=\frac{1}{2} }[/math].
Binomialverteilung beim 20-maligen Werfen eines Würfels
Wir betrachten die Bernoulli-Kette 20-maliges werfen eines Würfels. Eine 6 zu würfeln bedeutet Erfolg und jede andere Zahl bedeutet Misserfolg. Das einmalige Werfen des Würfels ist ein Bernoulli-Experiment mit der Erfolgswahrscheinlichkeit [math]\displaystyle{ p=\frac{1}{6} }[/math] und der Misserfolgswahrscheinlichkeit [math]\displaystyle{ q=\frac{5}{6} }[/math]. Damit ist [math]\displaystyle{ X }[/math], Häufigkeit der Augenzahl 6, eine [math]\displaystyle{ B_{20;\frac{1}{6}} }[/math]-verteilte Zufallsvariable. Die Wahrscheinlichkeit, beim 20-maligen Werfen eines Würfels genau 3-mal die 6 zu würfeln, beträgt [math]\displaystyle{ P(X=3)=\binom{20}{3}\cdot{\frac{1}{6}}^3\cdot(1-\frac{1}{6})^{(20-3)}=\binom{20}{3}\cdot{\frac{1}{6}}^3\cdot{\frac{5}{6}}^{17}\approx0,238 }[/math].
Binomialverteilung beim dreifachen Münzwurf

Eine Münze wird dreimal geworfen und man beobachtet, in welcher Reihenfolge Zahl (Z) und Kopf (K) oben liegen. Die Ergebnismenge ist [math]\displaystyle{ S = \{ZZZ; ZZK; ZKZ; ZKK; KZZ; KZK; KKZ; KKK\} }[/math]. Da ein Laplace-Experiment vorliegt, beträgt die Wahrscheinlichkeit genau zweimal Kopf zu werfen [math]\displaystyle{ P(E)=\frac{3}{8}=0,375 }[/math] mit [math]\displaystyle{ E=\{KKZ;KZK;ZKK\} }[/math]. Wir wenden die Binomialverteilung wie folgt an:
Wir betrachten die [math]\displaystyle{ B_{3;\frac{1}{2}} }[/math]-verteilte Zufallsvariable [math]\displaystyle{ X }[/math], die die Häufigkeit von Kopf angibt, und wollen [math]\displaystyle{ P(X=2) }[/math] bestimmen. Jeder Pfad der Bernoulli-Kette besteht aus insgesamt 3 Teilpfade, wovon genau 2 Teilpfade zu Kopf führen müssen. Da die Reihenfolge der Teilpfade keine Rolle spielen und ein Teilpfad nicht doppelt vorkommen darf, gibt es insgesamt [math]\displaystyle{ \binom{3}{2}=3 }[/math] mögliche Pfade (Siehe: Ohne Beachtung der Reihenfolge, Ohne Zurücklegen). Für jeden Pfad gilt: Zwei Teilpfade besitzen jeweils die Wahrscheinlichkeit [math]\displaystyle{ \frac{1}{2} }[/math] für Kopf und ein Teilpfad besitzt die Wahrscheinlichkeit [math]\displaystyle{ \frac{1}{2} }[/math] für Zahl. Es gilt also:
[math]\displaystyle{ P(X=2)=\binom{3}{2}\cdot{\frac{1}{2}}^2\cdot(1-\frac{1}{2})^{(3-2)}=3\cdot{\frac{1}{2}}^2\cdot{\frac{1}{2}}^1=3\cdot0,125=0,375 }[/math]
[math]\displaystyle{ \binom{3}{2} }[/math] ist gleichbedeutend mit „wir erhalten genau zwei Erfolge (Kopf) aus insgesamt 3 Würfen“. [math]\displaystyle{ (\frac{1}{2})^2 }[/math] ist die Wahrscheinlichkeit für zweimal Erfolg (Kopf) und [math]\displaystyle{ (\frac{1}{2})^1 }[/math] ist die Wahrscheinlichkeit für einmal Misserfolg (Zahl).
Erwartungswert, Varianz, Standardabweichung und 95% Regeln anwenden
Im Alter zwischen 15 und 20 Jahren rauchen 25,5% der deutschen Bevölkerung. In einer Schule mit 640 Schülerinnen und Schülern in diesem Alter rauchen 118 Schülerinnen und Schüler.
Betrachten wir die Zufallsvariable [math]\displaystyle{ X }[/math], Anzahl rauchende 15-20-Jährige in der Schule, dann liegt eine Bernoulli-Kette mit [math]\displaystyle{ n=640 }[/math] und [math]\displaystyle{ p=0,255 }[/math] vor. Der Erwartungswert beträgt [math]\displaystyle{ \mu=E(X)=640 \cdot 0,255=163,2 }[/math] und die Varianz ist [math]\displaystyle{ \sigma^2=V(X)=640\cdot0,255\cdot0,745=121,584 }[/math]. Die Standardabweichung ist also [math]\displaystyle{ \sigma\approx\ 11 }[/math]. Die Anzahl der rauchenden Schülerinnen und Schülern der Schule liegt mit 118 unter der erwarteten Anzahl von ungefähr [math]\displaystyle{ \mu=163 }[/math] und sogar unter [math]\displaystyle{ 163-11=152 }[/math], wenn die erwartete Abweichung von [math]\displaystyle{ \sigma \approx 11 }[/math] berücksichtigt wird.
Wir setzen diese Werte in die Gleichung für die 95%-Regel ein und erhalten
[math]\displaystyle{ P\left(163,2-1,96\cdot11,03\leq X\le163+1,96\cdot11,03\right)\approx0,95 }[/math]
[math]\displaystyle{ P\left(141,6\le X\le184,8\right)\approx0,95 }[/math]
Legen wir zugrunde, dass ein Schüler oder eine Schülerin mit einer Wahrscheinlichkeit von 25,5% Raucher oder Raucherin ist, dann sind mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% zwischen 142 und 184 Raucherinnen und Raucher an der Schule.