Signifikanztest: Unterschied zwischen den Versionen

 
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* Der Bereich, in dem <math>H_0</math> nicht verworfen wird, heißt '''Annahmebereich'''.   
* Der Bereich, in dem <math>H_0</math> nicht verworfen wird, heißt '''Annahmebereich'''.   
* Der Bereich, in dem <math>H_0</math> verworfen wird, heißt '''Verwerfungsbereich'''.   
* Der Bereich, in dem <math>H_0</math> verworfen wird, heißt '''Verwerfungsbereich'''.   
* Der Wert, der den Übergang zwischen Annahme- und Verwerfungsbereich angibt, wird '''kritische Zahl''' genannt.   
* Der Wert, der den Übergang zwischen Annahme- und Verwerfungsbereich angibt und im Annahmebereich liegt, wird '''kritische Zahl''' genannt.   
* Die Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis fälschlicherweise im Verwerfungsbereich liegt, wird '''Irrtumswahrscheinlichkeit''' oder '''Signifikanzniveau''' <math>\alpha</math> genannt.
* Die Wahrscheinlichkeit, dass das Testergebnis fälschlicherweise im Verwerfungsbereich liegt, wird '''Irrtumswahrscheinlichkeit''' oder '''Signifikanzniveau''' <math>\alpha</math> genannt.


==Fehler 1. Art==   
==Fehler 1. Art==   
Ein '''Fehler 1. Art''' tritt auf, wenn die Nullhypothese <math>H_0</math> abgelehnt wird, obwohl sie in Wirklichkeit zutrifft.   
Ein '''Fehler 1. Art (<math>\alpha-Fehler</math>)''' tritt auf, wenn die Nullhypothese <math>H_0</math> abgelehnt wird, obwohl sie in Wirklichkeit zutrifft.   
Die Wahrscheinlichkeit für diesen Fehler entspricht dem Signifikanzniveau <math>\alpha</math>.
Die Wahrscheinlichkeit für diesen Fehler entspricht dem Signifikanzniveau <math>\alpha</math>.


==Fehler 2. Art==   
==Fehler 2. Art==   
Ein '''Fehler 2. Art''' tritt auf, wenn die Nullhypothese <math>H_0</math> beibehalten wird, obwohl sie in Wirklichkeit falsch ist.   
Ein '''Fehler 2. Art (<math>\beta-Fehler</math>)''' tritt auf, wenn die Nullhypothese <math>H_0</math> beibehalten wird, obwohl sie in Wirklichkeit falsch ist.   
Die Wahrscheinlichkeit für diesen Fehler wird mit <math>\beta</math> bezeichnet.
Die Wahrscheinlichkeit für diesen Fehler wird mit <math>\beta</math> bezeichnet. Dieser kann bei Signifikanztests nicht berechnen werden, da für die Alternativhypothese keine Wahrscheinlichkeit gegeben ist.
 
== Anwendungen ==
 
*Qualitätskontrollen in der industriellen Fertigung
*Risikoabschätzung in Versicherungen
*Analyse von Produktionsprozessen
*Überprüfung von Hypothesen in betriebswirtschaftlichen Modellen


== Beispiele ==
== Beispiele ==


=== Qualitätskontrolle mit 20 Teilen (Linksseitiger Signifikanztest)===
=== Qualitätskontrolle mit 20 Teilen (Rechtsseitiger Signifikanztest)===
Eine Maschine produziert in Serie Teile. Es wird eine Stichprobe von <math>n=20</math> Teilen gezogen. Unter der Nullhypothese <math>H_0</math> beträgt die Fehlerquote <math>p_0 = 0,05</math>. Es soll auf einem Signifikanzniveau von <math>\alpha = 0,05</math> getestet werden, ob die Maschine zu viele fehlerhafte Teile produziert.
Eine Maschine produziert in Serie Teile. Es wird eine Stichprobe von <math>n=20</math> Teilen gezogen. Die binomialverteilte Zufallsvariable <math>X</math> gibt an, wie viele fehlerhafte Teile in der Stichprobe gefunden wurden.
* Nullhypothese: <math>H_0: p = 0,05</math> (Fehlerquote beträgt 5 %). 
* Alternativhypothese: <math>H_1: p > 0,05</math> (Fehlerquote ist größer als 5 %).
 
Es soll auf einem Signifikanzniveau von <math>\alpha = 0,05</math> getestet werden, ob die Maschine zu viele fehlerhafte Teile produziert.


'''1. Erwartungswert und Annahmebereich:'''
'''1. Erwartungswert und Annahmebereich:'''


Der Erwartungswert unter <math>H_0</math> ist
Der Erwartungswert unter <math>H_0</math> ist
:<math>\operatorname{E}(X) = n \cdot p_0 = 20 \cdot 0,05 = 1</math>.
:<math>\operatorname{E}(X) = n \cdot p_0 = 20 \cdot 0,05 = 1</math>.
Man rechnet also im Durchschnitt mit 1 fehlerhaften Teil.


'''2. Beobachtung:'''
Der Annahmebereich umfasst alle Werte <math>k</math>, für die <math>P(X \ge k) > 0,05</math>.
Die kleinste Zahl <math>k</math> mit <math>P(X > k) \le 0,05</math> ist der kritische Wert. 
Berechnung: 
:<math>P(X > 3) = 1 - P(X \le 3) \approx 0,043</math> 


In der Stichprobe werden <math>X = 2</math> fehlerhafte Teile gefunden.
→ Kritischer Wert: <math>x_{\text{krit}} = 3</math> 
* Annahmebereich: <math>\{0;1;2;3\}</math> 
* Verwerfungsbereich: <math>\{4;5;\dots;20\}</math>


'''3. Wahrscheinlichkeit berechnen:'''
'''2. Beobachtung:'''
<math>X = 2</math>, d. h. in der 20-teiligen Stichprobe wurden 2 fehlerhafte Teile gefunden.


Die Wahrscheinlichkeit, 2 oder mehr fehlerhafte Teile zu finden, lautet:
'''3. Entscheidung:''' 
:<math>P(X \ge 2) = 1 - P(X \le 1)</math>
Es gilt <math>P(X \ge 2) = 0,265 > 0,05</math>, d. h. die Wahrscheinlichkeit 2 oder mehr fehlerhafte Teile zu finden, ist größer als das Signifikanzniveau <math>\alpha=0,05</math>. Liegt eine Fehlerquote von 5 % vor, ist es nicht ungewöhnlich 2 oder mehr fehlerhafte Teile zu finden. <math>H_0</math> wird nicht verworfen. Diese Entscheidung wird für alle Werte im Annahmebereich getroffen.


Berechne <math>P(X \le 1)</math>:
=== Qualitätskontrolle mit 50 Teilen (Rechtsseitiger Signifikanztest)===
Eine Maschine produziert in Serie Teile. Eine Stichprobe von <math>n=50</math> Teilen wird gezogen. Die binomialverteilte Zufallsvariable <math>X</math> gibt an, wie viele fehlerhafte Teile in der Stichprobe gefunden wurden. 
* Nullhypothese: <math>H_0: p = 0,02</math> (Fehlerquote beträgt 2 %)
* Alternativhypothese: <math>H_1: p > 0,02</math> (Fehlerquote ist größer als 2 %). 


Für 0 defekte Teile: <math>P(X=0) = \binom{20}{0} \cdot 0,05^0 \cdot 0,95^{20} \approx 0,358</math>
Signifikanzniveau: <math>\alpha = 0,05</math>.


Für 1 defektes Teil: <math>P(X=1) = \binom{20}{1} \cdot 0,05^1 \cdot 0,95^{19} \approx 0,377</math>
'''1. Erwartungswert und Annahmebereich:'''


Damit:
<math>\operatorname{E}(X) = 50 \cdot 0,02 = 1</math>
:<math>P(X \ge 2) = 1 - (0,358 + 0,377) = 0,265</math>.


'''4. Entscheidung:'''
Berechnung des kritischen Wertes:
:<math>P(X \ge 3) = 0,047 \le 0,05</math> 
:<math>P(X \ge 2) = 1 - P(X \le 1) \approx 0,264 > 0,05</math> 


Da <math>0,265 > 0,05</math>, liegt das Ergebnis im '''Annahmebereich'''.
→ Kritischer Wert: <math>x_{\text{krit}} = 2</math> 
* Annahmebereich: <math>\{0;1;2\}</math> 
* Verwerfungsbereich: <math>\{3;4,\dots;50\}</math>


Die Nullhypothese wird ''nicht verworfen''.
'''2. Beobachtung:''' 
<math>X = 3</math>, d. h. in der 50-teiligen Stichprobe wurden 3 fehlerhafte Teile gefunden.


Zwei fehlerhafte Teile sind also unter <math>H_0</math> nicht ungewöhnlich und liefern keinen signifikanten Hinweis auf eine höhere Fehlerquote.
'''3. Entscheidung:''' 
Es gilt <math>P(X \ge 3) = 0,047 < 0,05</math>. Damit ist das Ergebnis im Verwerfungsbereich. Unter <math>H_0</math> wäre es eher ungewöhnlich, 3 oder mehr fehlerhafte Teile zu finden. <math>H_0</math> wird verworfen. Diese Entscheidung wird für alle Werte im Verwerfungsbereich getroffen.


=== Qualitätskontrolle mit 50 Teilen (Linksseitiger Signifikanztest)===
=== Münzwurf-Experiment (Linksseitiger Signifikanztest)===
Eine Maschine produziert in Serie Teile. Eine Stichprobe von <math>n=50</math> Teilen wird gezogen. Unter der Nullhypothese <math>H_0</math> beträgt die Fehlerquote <math>p_0 = 0,02</math>. Es soll auf einem Signifikanzniveau von <math>\alpha = 0,05</math> getestet werden, ob die Maschine zu viele fehlerhafte Teile produziert.
Es wird eine Münze <math>n=40</math>-mal geworfen. Die binomialverteilte Zufallsvariable <math>X</math> gibt an, wie häufig Kopf geworfen wird.
* Nullhypothese: <math>H_0: p = 0,5</math> (Die Wahrscheinlichkeit für Kopf ist 50 %, d. h. die Münze ist fair). 
* Alternativhypothese: <math>H_1: p < 0,5</math> (Die Münze fällt seltener auf Kopf).
 
Signifikanzniveau: <math>\alpha = 0,05</math>.


'''1. Erwartungswert und Annahmebereich:'''
'''1. Erwartungswert und Annahmebereich:'''


Der Erwartungswert unter <math>H_0</math> ist
<math>\operatorname{E}(X) = 40 \cdot 0,5 = 20</math>
:<math>\operatorname{E}(X) = n \cdot p_0 = 50 \cdot 0,02 = 1</math>.
Im Durchschnitt wird also mit einem fehlerhaften Teil gerechnet.


'''2. Beobachtung:'''
Berechnung des kritischen Wertes:
:<math>P(X \le 14) \approx 0,040 \le 0,05</math> 
:<math>P(X \le 15) \approx 0,081 > 0,05</math> 


In der Stichprobe werden <math>X = 3</math> fehlerhafte Teile gefunden.
→ Kritischer Wert: <math>x_{\text{krit}} = 15</math>
* Verwerfungsbereich: <math>\{0;1;\dots;14\}</math> 
* Annahmebereich: <math>\{15;16;\dots;40\}</math> 


'''3. Wahrscheinlichkeit berechnen:'''
'''2. Beobachtung:'''
<math>X = 14</math>, d. h. bei 40 Würfen trat 14-mal Kopf auf. 


Die Wahrscheinlichkeit, mindestens 3 fehlerhafte Teile zu finden, lautet:
'''3. Entscheidung:''' 
:<math>P(X \ge 3) = 1 - P(X \le 2)</math>
Es gilt <math>P(X \le 14) = 0,040 < 0,05</math>. Damit ist das Ergebnis im Verwerfungsbereich. Unter <math>H_0</math> wäre es ungewöhnlich, höchstens 14-mal Kopf zu beobachten. <math>H_0</math> wird verworfen. Diese Entscheidung wird für alle Werte im Verwerfungsbereich getroffen.


Berechne <math>P(X \le 2)</math>:
=== Produktionskontrolle mit Glühlampen (Linksseitiger Signifikanztest)===
:<math>P(X \le 2) = \sum_{x=0}^{2} \binom{50}{x} \cdot 0,02^x \cdot 0,98^{50-x} \approx 0,953</math>
Ein Hersteller überprüft die Lebensdauer von Glühlampen. Es gilt <math>n=30</math>. Die binomialverteilte Zufallsvariable <math>X</math> gibt an, wie viele Lampen in der Stichprobe ausfallen. 
* Nullhypothese: <math>H_0: p = 0,1</math> (Die Ausfallrate beträgt 10 %). 
* Alternativhypothese: <math>H_1: p < 0,1</math> (Die Ausfallrate ist kleiner als 10 %). 


Dann:
Signifikanzniveau: <math>\alpha = 0,05</math>.
:<math>P(X \ge 3) = 1 - 0,953 = 0,047</math>


'''4. Entscheidung:'''
'''1. Erwartungswert und Annahmebereich:'''
 
Da <math>0,047 < 0,05</math>, liegt das Ergebnis im '''Verwerfungsbereich'''.
 
Die Nullhypothese wird ''verworfen'': Es gibt einen signifikanten Hinweis darauf, dass die Fehlerquote der Maschine größer als <math>0,02</math> ist.


=== Anwendungen ===
<math>\operatorname{E}(X) = 30 \cdot 0,1 = 3</math> 


Qualitätskontrollen in der industriellen Fertigung
Berechnung des kritischen Wertes: 
:<math>P(X \le 0) \approx 0,042 \le 0,05</math> 
:<math>P(X \le 1) \approx 0,150 > 0,05</math> 


Risikoabschätzung in Versicherungen
→ Kritischer Wert: <math>x_{\text{krit}} = 1</math> 
* Verwerfungsbereich: <math>\{0\}</math> 
* Annahmebereich: <math>\{1;2;\dots;30\}</math> 


Analyse von Produktionsprozessen
'''2. Beobachtung:''' 
<math>X = 0</math>, d. h. in der 30-teiligen Stichprobe ist keine Lampe ausgefallen. 


Überprüfung von Hypothesen in betriebswirtschaftlichen Modellen
'''3. Entscheidung:''' 
Es gilt <math>P(X \le 0) = 0,042 < 0,05</math>. Damit ist das Ergebnis im Verwerfungsbereich. Unter <math>H_0</math> wäre es eher ungewöhnlich, dass keine einzige Lampe ausfällt. <math>H_0</math> wird verworfen. Diese Entscheidung wird für alle Werte im Verwerfungsbereich getroffen. 


[[Kategorie:Wahrscheinlichkeitsrechnung]]
[[Kategorie:Wahrscheinlichkeitsrechnung]]
[[Kategorie:AHR_WuV_Mathe_GK]]
[[Kategorie:AHR_WuV_Mathe_GK]]